Sofia Hassiotaki ist als IT Change Management Consultant bei Accenture tätig. Bevor sie 2018 zu Accenture stieß, hat sie Phonetik und Sprachverarbeitung an der Ludwig-Maximilians-Universität in München studiert und als Werkstudentin Praxiserfahrungen unter anderem in der Kommunikationsbranche gesammelt.
Welchen Herausforderungen müssen sich Unternehmen stellen, wenn es um die Einführung einer neuen Software geht?
✘ Dauer der Softwareeinführung wird unterschätzt
Viele Unternehmen definieren ein übermäßig optimistisches Go-Live-Datum, doch Zeitdruck bei der Softwareeinführung ist ein schlechter Ratgeber. Definiert man bereits während der Planungsphase die erforderlichen Meilensteine und Deliverables, werden die Erwartungen in der Implementierungsphase erfüllt und der Prozess gestaltet sich insgesamt reibungsloser.
✘ Funktionsumfang ist nicht klar definiert
Bei der Einführung neuer Software ist es wichtig, von Anfang an transparent über den Funktionsumfang zu sein und nicht die eierlegende Wollmilchsau zur Erhöhung der Akzeptanz zu versprechen. Die Mitarbeiter, die am Ende mit der Software arbeiten werden, wissen in der Regel am besten, welche Funktion sie für ihre Arbeit benötigen, also beziehen Sie diese mit ein. Diese Beteiligung erhöht nämlich die Motivation, mit der neuen Software zu arbeiten und infolgedessen die Akzeptanz.
✘ Prozesse sind nicht abgestimmt
Unternehmen nutzen die Gelegenheit einer Softwareeinführung oft, um im selben Zug ihre betrieblichen Prozesse zu verbessern. Beziehungsweise es gab bisher keinen standardisierten Prozess, welcher jedoch für das neue System essenziell ist. Jetzt kommt es darauf an, die Prozesse klar zu definieren und auf ihre Praxisreife zu prüfen. Ansonsten läuft man Gefahr, dass die Mitarbeiter der Software die Schuld geben, obwohl eigentlich der Prozess als solches noch verbessert werden müsste.
✘ Schlechte bzw. gar keine Schulung der neuen Software
Vermeiden Sie den Fehler, von einer selbsterklärenden Software auszugehen. Trainings sollten eine hohe Priorität bei einer Softwareeinführung einnehmen, denn der Erfolg einer neuen Software steht und fällt mit seinen Nutzern. Besonders, wenn das neue System den kompletten Betrieb betrifft, sind dedizierte Schulungen für die einzelnen Bereiche wichtig. Sehen Sie dabei von „One fits all“-Schulungen ab und passen Sie die Trainings entsprechend dem Skilllevel und den einzelnen Funktionen an, damit jeder Nutzer auch wirklich den entsprechenden Umgang mit der Software erlernen kann und einen Nutzen hat. Überlegen Sie sich auch, in welchem Format Ihre Trainings stattfinden sollen. Gerade in Zeiten von Corona finden klassische Classroom-Trainings immer seltener statt. Jetzt gilt es, neue Lösungen anzubieten, beispielsweise durch geführte Online-Trainings. Auch hier ist ein interaktives und abwechslungsreiches Training möglich, wenn Sie auf entsprechende Tools und Methoden zurückgreifen.
Auf welche Phasen des Change-Prozesses sollten Unternehmen ein besonderes Augenmerk legen und warum?
Durch meine bisherigen Projekte weiß ich, es gibt keine Veränderung ohne Widerstand. Nach dem ersten Schockzustand kann es passieren, dass sich die Betroffenen gegen die Veränderung zusammenschließen, um klarzumachen, dass die angekündigten Maßnahmen aus ihrer Sicht überflüssig sind. In solchen Reaktionen manifestiert sich die Angst, gewohnte Strukturen und Teile der vertrauten Unternehmenskultur zu verlieren. Besonders in dieser Phase ist es wichtig, dranzubleiben. Holen Sie alle wichtigen Entscheider, aber ebenso Umsetzer ins Boot. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Verbündete eine große Hilfe sind, denn diese Personen sind selber mit hoher Motivation dabei und ein Motor der Veränderung. Beziehen Sie jedoch ebenso Kritiker und Betroffene in den Prozess ein, identifizieren Sie Verlierer des Changes und sprechen Sie diese gezielt an. So geben Sie Raum für Befürchtungen und Ängste, den Dialog und das gemeinsame Nachdenken. Eine gute Methode, um Ängsten zu begegnen, sind folgende Fragen, die in Workshops bearbeitet werden können:
- Was verliere ich, wenn der Widerstand aufgegeben wird?
- Was wird schlimmer/schlechter/verschärft sich, wenn der Widerstand aufgegeben wird?
- Was wird schlimmer/schlechter/verschärft sich, wenn der Widerstand fortbesteht?
Das wichtigste ist jedoch Ausdauer und Empathie. Die Beteiligten werden zu sehr unterschiedlichen Zeiten in den Prozess eingebunden, somit erlebt auch jede Gruppe unterschiedliche Phasen. Die größte Schwierigkeit tritt ein, wenn sich eine Gruppe schon in der Phase der Euphorie bewegt, während andere noch in der Schockstarre verweilen. Diese Diskrepanzen müssen wahrgenommen und überwunden werden, sonst drohen Missverständnisse bis hin zu völliger Verweigerung.
Welche drei Tipps würden Sie Unternehmen für eine erfolgreiche Softwareeinführung mit an die Hand geben?
✓ Verordnen Sie keine Software von oben herab
Die neue Software sollte sich nicht wie ein Zwang anfühlen, sondern wie eine neue Perspektive, auf die sich die Mitarbeiter freuen können. Danken Sie Ihren Mitarbeitern für ihren Einsatz und beziehen Sie sie mit ein, indem Sie bspw. nach ihren Wünschen und Bedürfnissen fragen. Auch ist das Etablieren von Key Usern im Betrieb eine bewährte Methode. Key User sind besonders intensiv für die Software geschult und können Fragen von anderen Mitarbeitern zur Software beantworten bzw. Hilfestellung bei Problemen geben. Das Key-User-Konzept bietet die Chance, die Akzeptanz der Mitarbeiter, von der die Software lebt, ganz subtil über die eigenen Mitarbeiter aufzubauen. Wichtig dabei: Zeigen Sie Ihren Mitarbeitern Wertschätzung für Ihre Rolle und legen Sie zeitliche und realistische Kontingente fest, um die Rolle auszuführen.
✓ Eine gute Trainingsstrategie ist die halbe Miete
Das Training ist oft der erste Berührungspunkt zwischen Endnutzern und Software, also überlegen Sie sich genau, wie Sie dieses gestalten möchten. Jeder weiß, wie einschläfernd Trainings voller Präsentationen sein können. Beziehen Sie Ihre Teilnehmer in das Training mit ein, indem Sie direkt mit ihnen im System arbeiten. So können sie direkt ihre Fragen stellen und es bleibt viel mehr hängen. Überlegen Sie sich auch, wie viele Trainings sinnvoll sind. Reicht eine Session oder sollten es mehrere sein? Sind Refresher Trainings nach einer gewissen Zeit oder nach Einführen einer neuen Funktion nötig? Sollte das Training für jede Gruppe gleich aussehen? Denn Sie dürfen nicht vergessen, jeder Mensch lernt unterschiedlich schnell. Was für die eine Person ganz intuitiv funktioniert, kann eine andere Person zum Verzweifeln bringen. Passen Sie die Trainings also an ihre Teilnehmer an. Passen Sie ebenso Ihr Training an die Umstände an. Gerade durch den immer größer werdenden Trend – und pandemiebedingt auch der Notwendigkeit – von Online-Trainings ist ein Umschwung nötig. Beachten Sie dabei folgendes, um ein Training auch virtuell erfolgreich zu gestalten:
- Fördern Sie die aktive Teilnahme, indem Sie Teilnehmer Fragen stellen, miteinander diskutieren und ihre Erfahrungen teilen lassen.
- Bringen Sie Interaktion in Ihre Trainings, indem Sie zwischen Theorie und Praxis abwechseln. Bilden Sie beispielsweise Gruppen und schicken Sie diese in Breakout-Rooms, damit diese etwas erarbeiten.
- Icebreaker bringen frischen Wind in Trainings. Dies kann durch ein kleines Quiz geschehen, indem Sie die Teilnehmer motivieren, einen lustigen virtuellen Background zu nutzen oder zwischendurch Auflockerungsübungen machen.
- Nutzen Sie verschiedene Ressourcen wie Whiteboards, Chatfenster für Q&A, Live-Polls, Videos, etc. So bringen Sie Abwechslung in Ihre Trainings und behalten und halten die Teilnehmer fokussiert.
Und am wichtigsten, verpassen Sie nicht die Chance auf Feedback! Fragen Sie Ihre Teilnehmer nach jedem Training, entweder anonym oder persönlich, was ihnen gefallen hat und was Sie besser machen können. So stellen Sie sicher, dass Sie und Ihre Trainings wachsen.
✓ Leading by example
Vertrauen Sie nicht darauf, dass Ihre Mitarbeiter die Software nutzen werden, weil Sie müssen. Die Führungskräfte von Unternehmen geben die Richtung für die Mitarbeiter vor. Seien Sie als Führungskraft ein Vorbild und nutzen Sie die Software selbst. So zeigen Sie einerseits, dass Sie hinter der Software stehen und können andererseits selbst die möglichen Probleme spüren. Kommunizieren Sie zudem offen und ehrlich mit den Anwendern über wichtige Informationen, aber auch Probleme, und beteiligen Sie sich in den Diskussionen. Erklären Sie außerdem warum diese Software Teil der Unternehmensstrategie ist und geben Sie konkrete Beispiele wie dies auf die Abteilung referenziert.